SEK tötet Boxer-Mischling und verhaftet Verdächtigen - in Anwesenheit zweier Kinder
Oelsnitz. Es ist kurz nach 4 Uhr, als eine Oelsnitzerin am
Dienstagmorgen einen furchtbaren Lärm vernimmt. Der Lärm kommt aus dem
Flur ihrer Erdgeschosswohnung. Die junge Frau, Mutter eines
anderthalbjährigen Mädchens und eines elfjährigen Sohnes, will nach dem
Rechten sehen.
Sie steht auf, geht ins Wohnzimmer - und findet sich plötzlich inmitten
eines polizeilichen Spezialeinsatzes wieder. Überall sind dunkel
gekleidete Menschen. Sie tragen schwarze Masken, sind bewaffnet. Lichter
flackern. Alles geht blitzschnell. "Die Männer schrien: Polizei,
Polizei. Auf den Boden legen." Die junge Frau weiß nicht, wie ihr
geschieht. Voller Panik denkt sie an ihre zwei Hunde. "Ich habe gefleht:
Bitte, bitte, lasst mich die Hunde wegnehmen. Doch ein Beamter drückte
mich beiseite. Dann hat er dreimal geschossen." Die Kugeln treffen
Spooner, einen Boxer-Mischling. Auf den Tag genau viereinhalb Jahre ist
er vorgestern geworden.
Boxer-Mischling stirbt
Spooner ist der Liebling der Familie. "Der Dicke", wird er liebevoll
genannt. "Der Hund hat auf uns aufgepasst. Das ist ein
Familienmitglied." Der Polizist habe grundlos auf das Tier geschossen,
sagt die Besitzerin: "Der Hund hat auf dem Sessel geschlafen." Die
Kugeln töten den Vierbeiner, er fällt vom Sessel, eine große Blutlache
bildet sich.
Zugleich dringen die Männer vom Spezialeinsatzkommando in die anderen
Räume vor. Auch im Kinderzimmer sollen sie: "Polizei, auf den Boden
legen" gerufen haben. Der Junge habe zitternd im Bett gesessen, als
seine Mutter zu ihm geführt wird. Kurze Zeit später bringt ein Mann das
anderthalbjährige Mädchen, das bis dahin noch im Schlafzimmer geschlafen
hat.
Dort fesseln die Einsatzkräfte den Verlobten der Oelsnitzerin. Reden
darf das Paar nicht mehr miteinander, es wird getrennt. Erst langsam
versteht die junge Frau, was los ist: Die Einsatzkräfte ermitteln im
Rockermilieu. "Sie suchen Beweise, haben sie gesagt. Sie haben mir ihre
Beschlüsse gezeigt, aber ich war nicht in der Lage, das zu lesen."
Sie selbst sagt, nie Kontakte zur Rockerszene gehabt zu haben. "Ich,
die Kinder, die Hunde. Wir haben damit nichts zu tun." Auch ihr Partner
besitze weder ein Motorrad, noch sei er Mitglied eines Clubs. Lediglich
zu Partys sei er hin und wieder gegangen. Die Ermittler nahmen bei der
Razzia Kleidung, Technik, Dokumente mit.
"Beteiligung an zwei Tötungsdelikten" lautete der Vorwurf, der hinter
den Durchsuchungen stand, sagte gestern Staatsanwalt Peter Graupner aus
Frankfurt (Oder). Er bezieht sich dabei auf zwei brutale Übergriffe im
vergangenen Jahr in einer brandenburgischen Kleinstadt. Was genau der
Verlobte, der aus Plauen stammt, damit zu tun haben soll, sagte Graupner
nicht.
Die Beamten durchsuchten auch dessen Wohnung, nahmen ihn mit aufs
Revier, wo er einen Drogentest machen musste. Dieser verlief negativ.
Später wurde der Mann zurückgebracht, freigelassen.
Die Ermittler hinterließen in Oelsnitz eine demolierte Wohnung. "Das
Laufgitter, die Spielsachen, alles ist voller Blut. Hier können wir
nicht bleiben", sagt die junge Frau. Vorübergehend ist die Familie bei
einer Freundin untergebracht. Die Kinder sind in ärztlicher und
psychologischer Betreuung. Zwar waren die beiden in den frühen
Morgenstunden von der Oma abgeholt worden, zum Zeitpunkt der Schüsse
waren sie jedoch noch anwesend.
Klare Regeln für Razzien
Weder die zuständige Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) noch das
brandenburgische Landeskriminalamt konnten gestern Aussagen zu dem
Vorfall machen. Erst heute sollen Details bekannt gegeben werden. "Bei
Razzien gibt es klare Regeln. Sind Kinder dabei, wird Rücksicht
genommen", so Staatsanwalt Graupner. Auch der Umgang mit Tieren sei
festgelegt. "Wenn das Tier gefährlich ist, muss die Gefahr beiseite
geschafft werden." Warum der vermutlich schlafende Hund getötet wurde,
ist bislang unklar. "Zur Gefahrenabwehr" schrieben Ermittler. Die
Unterlagen hat die Oelsnitzerin ihrem Anwalt übergeben.
Sie will jetzt Anzeige erstatten, auch wenn sie weiß: "Spooner kommt
davon nicht zurück. Alles kann man ersetzen, den Hund nicht." In den
Unterlagen des SEK taucht der Hund in der Rubrik "defekte Sachen" auf.
Die Oelsnitzerin hat ihn gestern beigesetzt.
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